der AKF e.V. hat in den vergangenen 30 Jahren viel erreicht. Ohne das Engagement unserer Mitgliedsfrauen wäre die erfolgreiche Arbeit nicht möglich gewesen.
Deshalb Dank allen Mitgliedern für ihre Unterstützung und ihr Engagement.
Am ersten Novemberwochenende 2023 hat der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft e. V. (AKF) mit zwei Fachtagen und einer Jubiläumsveranstaltung sein 30-jähriges Jubiläum gefeiert. Der AKF ist der größte unabhängige Zusammenschluss von Organisationen und Fachfrauen, die sich für Frauengesundheiten in Deutschland engagieren.
Auf der Jubiläumsfeier blickte Gründungsmitglied Barbara Ehret im Gespräch mit der Journalistin Eva Schindele zurück auf die Anfänge.
Eva Schindele: Ich freue mich, eine Pionierin des AKFs vorzustellen, die wahrscheinlich viele von euch kennen: Barbara Ehret. Ohne sie würden wir hier nicht sitzen und feiern, denn sie war eine diejenigen, die zusammen mit einigen anderen engagierten Frauen vor 30 Jahren den AKF gegründet haben.
Barbara, du bist Frauenärztin, hast dich 1973 niedergelassen und wenig später parallel auch eine gynäkologische und psychosomatisch-orientierte Abteilung in einer Rehaklinik der LVA in Bad Salzuflen aufgebaut. Und du kritisiertest die Gynäkologie wegen der vielen überflüssigen Gebärmutteroperationen und galtst innerhalb ihrer Zunft als Nestbeschmutzerin. Wieso eigentlich?
Barbara Ehret: Die Gynäkologie galt schon immer als die kleine Schwester der Chirurgie. Und darauf war und ist sie besonders stolz. Gynäkologische Kliniken leben praktisch von Operationen. Nun gibt es in der Gynäkologie nicht so viele Organe zum Operieren, aber es gab immer mehr Kliniken. Operationen und Narkose waren weniger gefährlich geworden und so begann man die – aus Sicht der Männer – ab dem 40. Lebensjahr angeblich überflüssige, gesunde Gebärmutter routinemäßig zu entfernen. Dieser Standpunkt wurde auch an Universitäten ex kathedra verkündet und angebliche Vorteile propagiert: „Kein Krebs und keine Verhütung mehr und bessere Sexualität.“
Ich baute damals die erste Klinik für gynäkologische Rehabilitation in Bad Salzuflen auf und stellte fest, dass die Operation längst nicht so harmlos war, wie behauptet wurde. Also war ich vor der AKF-Gründung jahrelang als Einzelkämpferin öffentlich unterwegs in Frauenzeitschriften, Funk und Fernsehen und auch auf Ärztefortbildungen. Eva, so haben ich dich ja auch als Mitstreiterin Anfang der 1990er Jahre kennengelernt.
Dann passierte ein denkwürdiges Ereignis in Ostende auf dem europäischen Menopausenkongress auf einem Podium der Universität Leiden, die damals dort schon kritischer waren in Sachen Hysterektomie. Nach den Statements der holländischen Kollegin und mir kam Tumult im Saal mit ca. 5oo Gynäkologen auf. Einige Kollegen brüllten: Man sollte sie als Hexen verbrennen und ihnen die Brüste abschneiden … Dieser Vorfall wiederum kam an die Öffentlichkeit und nun beschäftigten sich nicht nur die Frauenzeitschriften, sondern auch Stern, Spiegel und Quick mit dem Thema. Ihr könnt euch vorstellen, wie aufgeheizt die Stimmung damals war.
All das passte dem Frauenarztverband natürlich gar nicht. Mit meiner Kritik stellte ich die wirtschaftliche Grundlage der gynäkologischen Kliniken infrage – und nahm den Kollegen die Illusion, etwas Gutes, Hilfreiches für die Frauen zu tun. Ich bekam ein Standesverfahren wegen unlauterer Werbung an den Hals und musste Strafe bezahlen. Und man drohte mir, mich aus dem Berufsverband auszuschließen. Der Fairness halber muss ich aber sagen, dass es im Laufe der Jahre einige, auch hochrangige Frauenärzte gab, die mir recht gaben.
Eva Schindele: Du warst also zunächst eine Einzelkämpferin. Wie habt ihr Gründungsmitglieder euch dann kennengelernt?
Barbara Ehret: Die Ärztin Claudia Czerwinski und ich haben uns bei meinem Vortrag zum Thema Gebärmutterentfernung beim Deutschen Ärztinnenbund 1992 kennengelernt. Dort sagte die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Ingeborg Retzlaff, zu uns: Ihr müsst einen eigenen Verein gründen. Das war sozusagen das erlösende Wort.
Dann rief mich eines Abends Ingrid Olbricht an, Psychiaterin aus Bad Wildungen, die ich nicht persönlich kannte, von der ich aber wusste, dass sie sehr kluge Bücher über die weibliche Brust und deren „Enteignung“ durch die Medizin geschrieben hatte. Ein anderes Thema von ihr war die sexuelle Ausbeutung von Frauen. Wir beide haben eine ganze Nacht lang telefoniert und den AKF, den wir damals Frauengesundheitsverein nannten, skizziert.
In der Planungsphase gab es noch eine Vierte im Bunde. Das war Maria Krieger. Sie war Sozialpädagogin und Psychotherapeutin und eine – heute würde man sagen: aktivistische Selbsthilfegruppenfrau aus Hamburg. Man hatte ihr die schwangere Gebärmutter unter der Diagnose „Myome“ entfernt.
Eva Schindele: Und was war dann der Auslöser für die Gründung eines multiprofessionellen Vereins?
Barbara Ehret: Wir waren alle zu dem Schluss gekommen, dass wir mit unseren jeweiligen Anliegen (Gebärmutter, Zwangsöstrogenisierung, Brustoperationen etc.) zwar viele Frauen erreichten. Dass diese Themen aber nur die Spitze des Eisbergs waren und dass die Medikalisierung und Pathologisierung der Frau ein neuer patriarchaler Versuch waren, die immer selbstbewussteren Frauen gefügig zu machen, sie in den Griff zu bekommen. Es fühlte sich an wie eine Enteignung des weiblichen Körpers, der wir nur gemeinsam zu Leibe rücken konnten. Dazu waren auch andere Initiativen, die sich im Kontext der Frauengesundheitsbewegung engagierten, notwendig.
Also setzten wir uns zusammen und schrieben einen Brief mit den Gründungsgedanken an eventuelle Mitstreiterinnen. Und fast alle sagten zu. Ich nenne außer uns vieren noch zwei wichtige Frauen, die ganz wesentlich im späteren Vorstand über viele Jahre mitarbeiteten. Das waren vor allem Carol Hagemann-White, Professorin und Frauenforscherin am soziologischen Institut in Hannover, und Brigitte Dorst, ebenso Professorin und Jungianerin, die sich u.a. feministischer Psychotherapie verschrieben hatte. Beide arbeiteten jahrelang im Vorstand mit.
In dem Brief hieß es: „Wir sind entschlossen, auf Fehlentwicklungen in der Medizin, in der wir eine Entfremdung eigentlicher medizinischer Aufgaben sehen, hinzuweisen und adäquat zu reagieren. Dabei gehen wir davon aus, dass ein Zusammenschluss kompetenter Frauen mehr Gewicht hat, als eine Einzelstimme es sein kann.“
Eva Schindele: Ich erinnere mich noch sehr gut an den turbulenten Gründungskongress 1993 in Bad Pyrmont.
Barbara Ehret: Oh ja! Wir hatten offensichtlich den Nerv der Zeit getroffen. Die erste Tagung in der Konzerthalle in Bad Pyrmont war chaotisch und trotzdem ein Riesenerfolg. Wir hatten damals keine Erfahrung mit Tagungsorganisation und die Anmeldung war nur provisorisch. Wir hatten höchstens mit 100 Frauen gerechnet und über 300 kamen! Wir fingen mit anderthalb Stunden Verspätung an. Keine meckerte, es war eine tolle Aufbruchstimmung. Nie werde ich vergessen, wie während einer Diskussion Maria Beckermann aufstand und mit hochrotem Kopf verkündete: Sie wollte schon lange ein gynäkologisches Fachbuch der anderen Art schreiben. Und Jahre später – 2004 – gab sie dann zusammen mit Friederike Perl im Schwabe-Verlag ein zweibändiges Werk heraus: „Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Integration von Evidence-Based Medicine in eine frauenzentrierte Gynäkologie“, in dem alles steht, wofür der AKF medizinisch und ethisch steht.
Ich hatte für den Nachmittagskaffee einen kleinen Tisch im Steigenberger reserviert in der Hoffnung, dass auch Frauenärztinnen kommen. Und sie kamen – nicht nur 4, sondern ca. 20! Und da wusste ich, dass ich keine Einzelkämpferin mehr war.
Das Gespräch wurde für die schriftliche Fassung bearbeitet und gekürzt.
Zum Weiterlesen: Wie alles anfing – die Gründerinnen erinnern sich
Weitere Gründungsmitglieder waren Marie-Louise Schneider, Beate Schücking, Jutta Voss und Claudia von Werlhoff.