Schwangerenzentrierte Lösungsansätze für eine gute Kooperation der beteiligten Berufsgruppen- 04. Nov. 2022
Schwangerenvorsorge im Sinne des 9. Nationalen Gesundheitsziels
Der Fachtag fand am Freitag, den 4. November 2022 von 9:30 – 17 Uhr als Livestream statt.
Programm
Flyer Schwangerenvorsorge
Abstracts und Videobeiträge
Begrüßung Prof. Ingrid Mühlhauser, Vorsitzende des AKF e.V.
Dr. Katharina Hartmann: Was Frauen sich wünschen
Abstract: Was Frauen sich wünschen
Frauen und Familien wünschen in der Schwangerschaft vor allem, dass alles gut werde. Es gilt grundsätzlich das Prinzip Hoffnung. So hören wir es in vielen Gesprächen. Die Schwangeren und ihre Familien möchten, dass Sorgen und Ängste genommen und ihre vielen Fragen geduldig beantwortet werden. Viele wissen nicht, dass sie Anspruch auf Vorsorge bei einer Hebamme haben, oder sie finden keine. Die Schwangeren erzählen, dass die Risiko-orientierte gynäkologische Vorsorge ihre Sorgen eher noch verstärkt und zu viele müssen erleben, wie sie entmündigt werden, weil angeblich der Gynäkologe oder die Gynäkologin „die Verantwortung trägt“ – und nicht die Schwangeren.
Prof. Dr. Theda Borde: Flucht_Migration mitgedacht – gute Versorgung für alle
ermöglichen
Abstract: Flucht_Migration mitgedacht – gute Versorgung für alle ermöglichen
Zuwanderung wird eine zentrale Bedeutung für die demographische und ökonomische Entwicklung unserer Gesellschaft behalten und in der Gesundheitsversorgung spiegelt sich die Diversität der Bevölkerung wider. Studien zeigen, dass die Versorgungsstrukturen rund um Schwangerschaft und Geburt kaum auf die spezifischen Lebenslagen und Versorgungsanforderungen insbesondere neu zugewanderter Frauen eingestellt sind. Die Potenziale kooperativer Versorgungs- und Betreuungsformen zwischen Ärzt*innen, Hebammen, Sozialarbeiter*innen und qualifizierten Sprachmittler*innen sind bisher strukturell nicht ausreichend verankert und ausgeschöpft.
Prof. Dr. Ute Lange: Versorgung von Schwangeren – ein Blick über die Grenzen
Hochschule für Gesundheit, Bochum
Abstract: Versorgung von Schwangeren – ein Blick über die Grenzen
In Deutschland werden die erkannten Vorteile einer interdisziplinären Schwangerenvorsorge durch Hebammen und Gynäkolog*innen im § 24d des V. Sozialgesetzbuches wie auch im 9. Nationalen Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ thematisch aufgegriffen. Im Wiederspruch hierzu findet eine Betreuung im Wechsel beziehungsweise in enger Zusammenarbeit beider Professionen in der Praxis nur vereinzelt statt. Der Vortrag soll durch einen vergleichenden Blick auf interdisziplinäre Versorgungsmodelle und die Rolle von Hebammen und Gynäkolog*innen in anderen europäischen Ländern die Diskussionsgrundlage für Lösungsansätze erweitern.
Ulrike Hauffe: Das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Was war und was wird?
Abstract: Das Nationale Gesundheitsziel „Gesundheit rund um die Geburt“ hat es in den Koalitionsvertrag geschafft. Was war und was wird?
Das Bundesministerium für Gesundheit hat 2017 das Nationale Gesundheitsziel (NGZ) „Gesundheit rund um die Geburt“ veröffentlicht. Es wurde 2013–16 von 30 mandatierten Fachpersonen aus Wissenschaft, Fachverbänden, Patientenselbsthilfeorganisationen, Politik, Selbstverwaltung erarbeitet. Der Umsetzung dieses Gesundheitsziels liegen Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz, der Frauenministerinnenkonferenz und der Jugend- und Familienministerkonferenz von 2017 zu Grunde. Es verfolgt einen salutogenetischen Ansatz, geht also von den Bedarfen und Bedürfnissen der Frauen und werdenden Familien aus. Gesundheitsziele sollen orientierend und koordinierend wirken – auch relevant für die Zusammenarbeit von Frauenärzt*nnen, Hebammen, Kinder- und Jugendärzt*nnen mit jungen Familien sowie für ihr Wirken in den Sozialraum hinein.
Ein gesunder Start ins Leben gelingt besser gut versorgt und bei guten Rahmenbedingungen für Familien. Nur ein breites Bündnis kann dieses Ziel umsetzen.
Der Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung hat das NGZ mit einem Aktionsplan zur Umsetzung festgelegt. Viele Bundesländer haben sich schon auf den Weg gemacht. Gemeinsam müssen wir nun die Umsetzung des Ziels verfolgen und gestaltend mitwirken.
Dr. Ann-Kathrin Hirschmüller: Rechtslage zur Kooperation
Abstract: Rechtslage zur Kooperation
Schwangere und Mütter haben einen gesetzlich verankerten Anspruch auf ärztlich und hebammenhilfliche Leistungen, der Mutterpass ist speziell auf die Eintragungen von mehreren Behandelnden ausgelegt und auch die Praxis zeigt, dass sich Schwangere eine Hebamme und eine Gynäkolog*in suchen. Die Kooperation dieser beiden Berufsbilder ist also unstreitig gelebte Praxis als auch gesetzgeberische Wille. Dennoch ist eine Zusammenarbeit der Professionen in der beruflichen Praxis nicht immer gegeben und wird teilweise sogar explizit vermieden, wobei immer wieder abrechnungstechnische Schwierigkeiten als Grund angegeben werden. Der Vortrag gibt Impulse, inwiefern eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Hebammenprofession und gynäkologischem Fachpersonal möglich ist und vor allem sein sollte.
Dr. Dagmar Hertle: Wie häufig wird kooperative Schwangerenvorsorge und durch wen in Anspruch genommen?
systemforschung), Wuppertal
Abstract: Wie häufig wird kooperative Schwangerenvorsorge und durch wen in Anspruch genommen?
Die Schwangerenvorsorge kann in Deutschland von zwei Berufsgruppen durchgeführt werden, den Gynäkolog*innen und den Hebammen. Beide arbeiten eigenständig (§1 HebG) und die Frau kann zwischen ärztlicher Vorsorge, Hebammenvorsorge und der Vorsorge im Wechsel wählen (§24d, SGB V). Schwangere profitieren von den jeweiligen Kompetenzschwerpunkten beider Berufsgruppen, deshalb fordert das NGZ in seinem Teilziel 1.7. ausdrücklich die Stärkung der multiprofessionellen Schwangerenvorsorge und die Entwicklung von Kooperationsmodellen für die Zusammenarbeit zwischen Frauenärzt*innen und Hebammen. Soweit der Anspruch. Aber wie sieht die Versorgungsrealität aus? Vorgestellt wird eine Analyse von Abrechnungsdaten der BARMER der Jahre 2015 – 2019, die aufzeigt, durch wen die Schwangerenvorsorge erbracht und in Anspruch genommen wurde.
Dr. Claudia Schumann: Vergleich kooperative/informelle Zusammenarbeit in der Schwangerenbetreuung
Abstract: Vergleich kooperative/informelle Zusammenarbeit in der Schwangerenbetreuung
In dem Kurzvortrag wird die kooperative Schwangerenbetreuung der informellen Betreuung von Ärzt*Innen und Hebammen in der Schwangerschaft gegenübergestellt.
Untersucht wird welchen Einfluß das Betreuungsmodell auf den gegenseitigen Austausch bei Schwangerschaftskomplikationen und auf die Zufriedenheit der Akteur*innen und die der Schwangeren hat.
Ramona Koch M.Sc: Was braucht es für eine gute Kooperation?
Abstract: Was braucht es für eine gute Kooperation?
Eine gut funktionierende Zusammenarbeit von Hebammen und Gynäkolog:innen in der Schwangerenvorsorge wird sowohl von den Schwangeren, wie auch von der Gesundheitspolitik zunehmend gefordert. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Umsetzung eine Herausforderung ist. Anhand Interviews mit interprofessionellen Teams, bestehend aus beiden Berufsgruppen, wurden Chancen und Herausforderungen einer gut funktionierenden Zusammenarbeit erhoben. Aus diesen Erfahrungen lassen sich im Sinne von Best Practice Erkenntnisse auf zwischenmenschlicher, organisatorischer und auch politischer und gesellschaftlicher Ebene ableiten.
Barbara Blomeier und Dr. Doris Tormann: Vorstellung des Bielefelder Kooperationsmodells
Dr. Doris Tormann Gynäkologin, Psychotherapeutin, Bielefeld, Vorstandsmitglied im AKF
Abstract: Vorstellung des Bielefelder Kooperationsmodells
Im 9. Nationalen Gesundheitsziel wird die bessere Zusammenarbeit der beteiligten Berufsgruppen in der Schwangerenvorsorge gefordert. Am Beispiel der seit über 20 Jahren bestehenden Kooperation zwischen einer Hebammen- und einer Frauenärzt*innenpraxis in Bielefeld soll gezeigt werden, wie gleichberechtigtes Arbeiten beider Berufsgruppen in der Schwangerenvorsorge gelingen kann. Das gemeinsame Betreuungsmodell wird vorgestellt, wobei auf Konzeption, Umsetzung und Schwierigkeiten eingegangen wird.
Podiumsdiskussion: Schwangerenvorsorge - Mutter und Kind im Mittelpunkt
Katharina Desery Vorstandsmitglied Mother Hood e. V., Bonn
Dr. Monika Lelgemann M.Sc. Unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), Berlin
Ursula Jahn-Zöhrens Hebamme, Beirätin für den Freiberuflichenbereich, Deutscher Hebammenverband e. V., Bad Wildbach
Dr. Dagmar Hertle Fachärztin für Innere Medizin, Psychotherapie und ärztliches Qualitätsmanagement, bifg (BARMER Institut für Gesundheitssystemforschung), Wuppertal
Dr. Christiane Wessel niedergelassene Frauenärztin, Berlin
Abstract: Schwangerenvorsorge – Mutter und Kind im Mittelpunkt
Gemeinsam wollen die relevanten Akteurinnen der Schwangerenvorsorge – die Elterninitiative Mother Hood, eine Vertreterin des DHV und eine niedergelassene Frauenärztin, das zuständige unabhängige Mitglied im G-BA sowie eine Vertreterin einer Krankenkasse – ausloten, wie die Zusammenarbeit der Berufsgruppen in der Schwangerenvorsorge ausgebaut werden kann. Dieses Ziel ist ein zentraler Baustein, der sich durch das gesamte Nationale Gesundheitsziel zieht. Frauen und Paare wünschen diese Zusammenarbeit. Wir sind ihnen verpflichtet, über systematische Verbesserungen zu diskutieren und sie umzusetzen.