Das AKF-Interview (Nr. 11): Sexistische Werbung ist umgehend zu stoppen

Das AKF-Interview (Nr. 11): Sexistische Werbung ist umgehend zu stoppen

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Aus unserer Reihe „Das AKF-Interview“: Interview mit Ulrike Hauffe, Dipl. Psychologin, Landesbeauftragte für Frauen des Landes Bremen, Vorsitzende des Frauen- und Gleichstellungsausschusses des Deutschen Städtetags (DST)
Stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende der BARMER

AKF: Ganz kurz noch einmal zusammengefasst: Was ist sexistische Werbung?

UH: Wenn Werbung mit nackten oder halbnackten Frauen oder Männern ein Produkt anpreist, das mit Nacktheit nichts zu tun hat, ist das sexistisch. Wenn Frauen oder Männer klischeehaft als zu doof für Technik, nur gut zum Putzen oder umgekehrt dargestellt werden, ist das sexistisch. Wenn Männer machtvoll und Frauen lediglich als Dekoration posieren, ist das sexistisch. Sexistische Werbung arbeitet mit der Herabwürdigung von Frauen und Männern aufgrund ihres Geschlechts.

AKF: Was kann sexualisierte Werbung kurz- oder langfristig bewirken?

UH: Über Werbung vermitteln sich Rollenbilder, Bilder, wie Frauen und Männer zu sein haben. Wenn Kinder und Jugendliche lernen, dass Frauen vor allem wenig bekleidet, schlank, geschminkt und einem Mann untergeordnet zu sein haben, dann wirkt dieses Rollenbild auf sie – auch wenn wir mit allen anderen Mitteln dagegen arbeiten. Sexistische Werbung legt Mädchen und Jungen, Frauen und Männer auf Stereotype fest, die der Gleichberechtigung und einer vielfältigen Gesellschaft im Wege stehen.

AKF: Die Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) hat in Bremen die Aktion „Make Werbung great again“ gegen sexistische Werbung durchgeführt. Wie ist diese Aktion zustande gekommen?

UH: Das Medienunternehmen Ströer, das für Bremen rund 1.000 Werbeflächen vermarktet, hat uns angeboten, sexistische Werbung im Rahmen eines Universitätsseminars zum Thema zu machen – dieses Angebot haben wir nur zu gerne angenommen.

AKF: Was war der Anlass?

UH: Bremen hat im Frühjahr 2017 als erstes Bundesland ein Beschwerdeverfahren gegen sexistische Werbung auf öffentlichen Flächen installiert. Wenn nun eine Bürgerin oder ein Bürger ein Werbemotiv sieht, das sie oder er als sexistisch empfindet und sich beschwert, gibt die ZGF entlang der Grundsätze gegen Herabwürdigung und Diskriminierung des Deutschen Werberats eine Einschätzung darüber ab, ob sie die Beschwerde teilt. Daraufhin kann die für Werbung zuständige Baubehörde das Motiv abhängen lassen, wenn es auf einer öffentlichen Werbefläche hängt. Das Neue daran ist, dass anstößige Werbemotive tatsächlich verschwinden können. Bisher gab es nur die Möglichkeit der Beschwerde beim Deutschen Werberat, der dann ein Unternehmen rügt – oder aber meistens auch nicht. Bis das geschieht, ist die Werbeampagne in der Öffentlichkeit aber oftmals schon lang präsent. In Bremen können wir jetzt sofort einschreiten.

AKF: Wie kam dieses Beschwerdeverfahren zustande?

UH: Geschlechtsdiskriminierende Werbung war immer schon ein Handlungsfeld der ZGF. Es war dann die Petition einer Bremer Bürgerin im Jahr 2013, der sich viele Menschen und auch das bremische Parlament angeschlossen haben und die die Politik zum Handeln aufforderte. Das Ziel: keine sexistische Werbung mehr auf öffentlichen Flächen. Die ZGF hat auf Aufforderung des Bremer Senats das nun geltende Verfahren erarbeitet.

AKF: Warum war ein Unternehmen beteiligt, das Werbeflächen vermietet?

UH: Die öffentlichen Werbeflächen werden in Bremen nicht von der Stadt selbst bestückt, sondern von dem Medienunternehmen Ströer, das in vielen deutschen Städten präsent ist. Unser Verfahren muss praxistauglich, sprich für Ströer auch handhabbar sein. Deshalb haben wir uns im mit Ströer zusammengesetzt, um das Vorgehen gemeinsam zu besprechen.

AKF: Erzählen Sie uns Einzelheiten.

UH: In diesem Zuge hat der Regionalvertreter von Ströer uns dann angeboten, mit diesem komplexen Thema sexistische Werbung ein Seminar zu bereichern, das Ströer seit einigen Jahren mit dem Institut für innovates Markenmanagement (LiM) der Universität Bremen gemeinsam anbietet. Die Studierenden entwerfen hier Jahr für Jahr Werbekampagnen für Bremer Unternehmen oder Einrichtungen, die dann auch öffentlich werden: Ströer stellt einen Teil seiner Werbeflächen für die studentischen Motive unentgeltlich zur Verfügung. Dass wir hier die Chance bekommen haben, unsere Botschaft als zu bewerbendes Objekt einzubringen, ist großartig. Die wunderbaren Ideen der Studierenden haben der Sache – und uns – viel Rückenwind gebracht, auch bundesweit.

AKF: Als Ergebnis lesen wir: Chapeau. Ziel erreicht. Was ist gemeint?

UH: In der rund zehnjährigen Geschichte dieses Kooperationsseminars von Ströer und der Uni war kein studentisches Motiv erfolgreicher als das Trump-Motiv. Wenn die Plakate hängen, gehen die Studierenden los und befragen Bremerinnen und Bremer, ob und wie sie die Motive wahrnehmen. Diese Befragung ist repräsentativ – und der Bekanntheitsgrad „unseres“ Motivs war unschlagbar hoch.

AKF: Wie kann ein langfristiger Erfolg gesichert werden? Es gab in der Geschichte der Frauenbewegung schon häufiger Proteste gegen frauenfeindliche Werbung – bisher mit wenig Erfolg.

UH: Dazu gehören viele Akteurinnen und Akteure. Protestplattformen wie pinkstinks, die mit wunderbaren Ideen und großer Reichweite in den sozialen Medien und darüber hinaus Front machen gegen überholte Rollenklischees. Ebenso wie Politikerinnen und Politiker, die sich gegen sexistische Werbung positionieren, aber auch Agenturen, die der nackten Haut oder schlichten Geschlechterdarstellung abgeschworen haben. Laut pinkstinks haben die großen Agenturen das übrigens inzwischen verstanden und seit zwei Jahren keine sexistische Kampagne mehr gestartet. Bleiben viele kleine und mittlere Unternehmen, die immer noch denken, mit halbnackten Frauen verkaufen sich Brötchen, Parkettboden oder Fenster besser. Die kriegen aber auch immer mehr Gegenwind. Viele Menschen sind nicht mehr bereit, diese Motive hinzunehmen und beschweren sich, auch öffentlich. Das erzeugt Druck und im besten Fall einen Sinneswandel.

AKF: Was kann der Deutsche Werberat tun?

UH: Der Deutsche Werberat könnte seine eigenen Grundsätze gegen Herabwürdigung und Diskriminierung ernster nehmen und mehr Beschwerden als bisher stattgeben. Nur ein kleiner Teil von Beschwerden über sexistische Werbung kommt hier durch, die meisten werden damit abgetan, dass das Motiv ja ironisch oder sonstwie anders gemeint sei. Dass aber gerade Kinder und Jugendliche ein Augenzwinkern nicht erkennen, sondern die Darstellung eines Rollenbildes als stille Norm verstehen, das negiert der Werberat. Hier sollte er seine Verantwortung wahrnehmen.

AKF: Was kann die Bundesregierung zur Abschaffung sexistischer Werbung tun?

UH: Es gab eine Initiative des Bundesjustizministeriums sexistische Werbung per Gesetz zu verbieten. Aktuell wird diese Initiative offenbar nicht weiter verfolgt – sollte sie aber. Die Zustimmung der Bundesländer hat sie: Die Gleichstellungsministerinnen und -minister haben auf ihrer Ministerkonferenz in Weimar im Frühjahr dieses Jahres die Bundesregierung aufgefordert, gegen sexistische Werbung tätig zu werden.

AKF: Und zu guter Letzt: Was kann können wir als AKF dazu beitragen?

UH: Rollen- und Körperbilder und ihre Wirkmächtigkeit können krank machen. Nirgends besser lässt sich das ablesen als an den Studien der Münchner Medienwissenschaftlerin Maya Götz, die einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Ausstrahlung von Germany‘s Top Model und der Zunahme von Essstörungen bei Mädchen und jungen Frauen empirisch nachgewiesen hat. Was Werbebilder mit uns machen, wie sie subkutan unsere Lebensführung und unsere Gefühlslage beeinflussen, sollte in Foren wie dem AKF immer wieder Thema sein.

AKF: Vielen Dank für dieses spannende Interview.

Das Interview führte Karin Bergdoll, 2. Vorsitzende des AKF.

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