Informationen zur „Corona-Warn-App“
Zur „Corona-Warn-App“ haben uns in den letzten Tagen eine Unmenge an Berichten und Informationen erreicht.
Bei der App handelt es sich um ein Projekt der Bundesregierung, das von der Deutschen Telekom und SAP entwickelt wurde. Beratung leisteten die Fraunhofer-Gesellschaft und das Helmholtz-Zentrum CISPA. Für den Datenschutz wurden das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und Informationsfreiheit eingebunden. Das Robert-Koch-Institut leistete die fachliche Beratung bei der Ausgestaltung der App und ist verantwortlich für Datenschutz und Datensicherheit.
Die App basiert auf einem „Tracing“ (Ablaufverfolgung), mit dem sich ein möglicher Kontakt zu einer infizierten Person schneller aufspüren lassen soll, um Infektionsketten zurückzuverfolgen.
Wir begrüßen die Freiwilligkeit bei der Nutzung und die offene Verfügbarkeit des Codes der Anwendung. Die Freiwilligkeit der Nutzung muss auch langfristig gewährleistet bleiben.
Video
Im Video der Süddeutschen Zeitung wird erklärt, wie dies praktisch für die Nutzer*innen der App abläuft.
Mehr dazu: Was Sie über die Corona-App wissen müssen (Artikel Süddeutsche Zeitung v. 14. Juni 2020)
Evaluation erforderlich
Die Corona-Warn-App wird als Maßnahme der öffentlichen Gesundheitspflege mit dem Ziel einer Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung eingesetzt. Ob es mit der App zu weniger Infektionen und der erwünschten Verbesserung der Gesundheit für alle kommt, wissen wir nicht, weil dazu die Daten fehlen. Die Einführung der App müsste transparent und unabhängig wissenschaftlich begleitet werden. Ob es entsprechende Studienprotokolle zur Evaluation der Maßnahme gibt, ist nicht ersichtlich. Eine Evaluation, die den epidemiologischen Nutzen prüft, ist erforderlich.
Risiken und Nebenwirkungen
Die Nutzung der App ist mit Einschnitten in die Privatsphäre verbunden. Die Gefahr von Fehlalarmen besteht. Wenn beispielsweise eine Trennwand oder Plexiglasscheibe die infizierte Person von Kontaktpersonen trennt oder wenn die infizierte Person zum Zeitpunkt des Kontaktes einen wirksamen Mund-Nasen-Schutz trägt oder die Begegnungen im Freien stattfinden, wäre eine Ansteckung eher unwahrscheinlich. Dennoch würden Kontaktpersonen alarmiert und müssten sich in Quarantäne begeben. Welche Auswirkungen wird dies haben? Welche Rollen spielen Menschen ohne Krankheitszeichen, die das Virus tragen? Wie werden die Gesundheitsämter die Arbeit bewältigen? Wird es tatsächlich eine Erleichterung der Arbeit oder zusätzliche Arbeit geben? Viele weitere Fragen sind offen.
Mit diesen und weiteren Fragestellungen rund um die „Corona-Warn-App“ werden wir uns weiter beschäftigen und planen aktuell einen Workshop für den Fachtag #FemHealth: Digitalisierung und Frauengesundheit im November 2020.
Corona-Warn-App und Frauengesundheit
Wir gehen aktuell davon aus, dass es keine spezifisch die Frauengesundheit betreffenden Vor- und Nachteile gibt. Ob die Corona-Warn-App die Versprechen aus Politik und Informationstechnologie einlösen wird oder ob es nur um einen neuen teuren Digitalisierungs- und Medien-Hype geht, wissen wir bisher ebenfalls nicht.
Diagnostik-Apps: Fluch oder Segen? Symptom-Checker und Diagnostik-Apps
Prof. Dr. med. Andreas Sönnichsen im Auftrag des EbM-Netzwerks
Evidenz: Covid-evidence-Database
Gemeinsame Datenbank von Universität Basel, Universitätsspital Basel und Metrics, Metric Berlin
Gefahren des Missbrauchs: Der Freiwilligkeits-Schwindel
Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung v. 09. Juni 2020
Sicherheit von Apps und Medizinprodukten: Schutz vor ungeprüften, unwirksamen oder schädlichen Interventionen: Warum die Standards der evidenzbasierten Medizin nicht ausgehebelt werden dürfen
Gemeinsame Stellungnahme des EbM-Netzwerks und des Vereins zur Förderung der Technologiebewertung im Gesundheitswesen
Soziale Aspekte: Ein Spielzeug für die digitale Oberklasse
Interview mit Patrick Larscheid, Leiter des Gesundheitsamts Berlin Reinikendorf in der Süddeutschen Zeitung v. 18.06.2020
Statistik: Unstatistik: Corona-Pandemie: Zahlen zur Corona-Warn-App
RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung