Stellungnahme des AKF e.V. und des DFC e.V. zur Weiterbildungsordnung (WBO) (1)

Stellungnahme des AKF e.V. und des DFC e.V. zur Weiterbildungsordnung (WBO) (1)

Der Arbeitskreis Frauengesundheit e.V.  und Doctors for choice e.V. empfehlen der Bundesärztekammer und den 17 Landesärztekammern, fünf Änderungen in den Weiterbildungsordnungen (WBO) vorzunehmen. Zentral ist die Aufnahme des Lernziels: „Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch sowie Schwangerschaftsabbruch mittels Saugkürettage“ in die WBO.

Stellungnahme zur Weiterbildungsordnung (WBO) (1) für Ärzt*innen, speziell für Frauenärzt*innen 

Im Hinblick auf die medizinische Versorgung von Schwangeren, die sich für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch entschieden haben.
Mit diesem Brief nehmen der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft (AKF) e.V. und Doctors for choice Germany e.V.  (DFC) Stellung zu dem Konzept (2), welches die Bundesregierung zusammen mit der Bundesärztekammer am 20.8.2020 vorgelegt hat, um die Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, fortzuentwickeln.

Die Expert*innen von AKF e.V. und DFC begrüßen sehr, dass die Bundesregierung und die Bundesärztekammer sich bemühen, die medizinische Versorgung von Schwangeren, die sich für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch entscheiden, sicherzustellen. In der ärztlichen Weiterbildung werden entscheidende Weichen gestellt, wie viele Ärzt*innen bereit und kompetent sein werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.  Deswegen richten die AKF- und DCF-Expert*innen ihr Augenmerk auf die Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer (BÄK) sowie auf die Weiterbildungsordnungen (WBO) der 17 Landesärztekammern (LÄK). Zentral ist ihnen die Forderung, dass der Schwangerschaftsabbruch als einer der häufigsten gynäkologischen Eingriffe explizit in die MWBO der BÄK sowie in die WBO der LÄKn aufgenommen werden muss.

Ausgangslage

Die Bundesärztekammer hat 2018 eine neue Musterordnung für die ärztliche Weiterbildung (MWBO) (1) verabschiedet. Sie dient den Landesärztekammern (LÄK) als Empfehlung, nicht aber als Richtlinie zur Umsetzung der ärztlichen Weiterbildungsordnung (WBO) in ihren Kammerbereichen. Einige LÄK haben ihre WBO seither bereits aktualisiert, andere arbeiten noch daran.

Die Bundesregierung hat am 6.2.2019 den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch beschlossen. Dieses Gesetz ist seit dem 29. März 2019 in Kraft. In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung zusammen mit der Bundesärztekammer am 20.8.2020 das Konzept (2) vorgelegt, welches zu einer Fortentwicklung der Qualifizierung von Ärztinnen und Ärzten, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, beitragen soll. Darin wird auch auf die ärztliche Ausbildung (Approbationsordnung für Ärzte) und auf ärztliche Fortbildungen eingegangen. Die Expert*innen von AKF e.V. und DFC beziehen sich in dieser Stellungnahme aber ausschließlich auf die ärztliche Weiterbildung, d.h. auf den Erwerb einer Facharztbezeichnung.

Die Expert*innen im AKF und von DFC teilen die Einschätzung, die dem Konzept (2) von BÄK und BMG zugrunde liegt, in folgenden drei Punkten nicht:

  1. In dem Konzept (2) wird zitiert: „Die Thematik des Schwangerschaftsabbruchs ist in der MWBO ausdrücklich als Inhalt der Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe benannt. Während der ärztlichen Weiterbildung werden die erforderlichen Handlungskompetenzen zur Beratung bei Schwangerschaftskonflikten sowie zur Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch unter Berücksichtigung gesundheitlicher psychischer Risiken sowie von operativen Eingriffen erworben“.

Nach Einschätzung der Expert*innen im AKF und von DFC sind die Weiterbildungsordnungen in ihrer jetzigen Form nicht geeignet, die Handlungskompetenz von Ärztinnen und Ärzten, Schwangerschaftsabbrüche durchführen zu können, zu verbessern. Begründung:

  • Handlungskompetenz für operative Eingriffe

Weder die MWBO der BÄK noch die WBO der 17 LÄKn benennen die erforderliche Handlungskompe- tenz für angemessene operative Eingriffe, nämlich die Saugkürettage. Die DGGG argumentiert (3): „Die DGGG wurde aufgefordert, sicherzustellen, dass im Rahmen der Weiterbildung auch die Fertigkeit vermittelt wird, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Das ist ohnehin sichergestellt, denn die Technik eines solchen Eingriffs ist identisch mit der Entleerung der Gebärmutter bei gestörten, nicht entwicklungsfähigen Schwangerschaften, sogenannten Fehlgeburten.“ Als „Technik eines solchen Eingriffs“ wird in der WBO die Kürettage genannt. Fakt ist aber: Eine übliche Kürettage erfüllt nicht die fachlichen Anforderungen bei einem Schwangerschaftsabbruch, sondern eine Saugkürettage. Mit der Saugkürettage ist das Endometrium bestmöglich vor Verletzungen geschützt. Die Nennung des Begriffs Saugkürettage ist schon deswegen wichtig, weil viele Krankenhäuser kein Absauggerät vorhalten, sondern ausschließlich instrumentell kürettieren. Dadurch entstehen unnötige Risiken für das Endometrium, unabhängig davon, ob es sich um eine vitale Schwangerschaft oder Fehlgeburt handelt.

  • Beratung bei Schwangerschaftskonflikten

In der MWBO der BÄK sowie in den WBO mehrerer LÄKn findet sich die Handlungskompetenz „Beratung bei Schwangerschaftskonflikten sowie Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch unter Berücksichtigung gesundheitlicher einschließlich psychischer Risiken“ lediglich in der Rubrik „Fetale Erkrankungen“. Die Begrenzung dieser Fertigkeit auf fetale Erkrankungen ist als Ausdruck der Tabuisierung von Schwangerschaftsabbrüchen als selbstbestimmte Entscheidung von Schwangeren – auch ohne fetale Erkrankungen – interpretierbar.

  1. Auch folgender Einschätzung von BÄK und BMG (2) „Unter den Fachgesellschaften besteht Einigkeit darüber, dass für die operative Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen nur Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in Betracht kommen und im Rahmen der entsprechenden Weiterbildung die Technik des operativen Abbruchs vermittelt wird.“ widersprechen die Expert*innen im AKF und von DFC. Es wird nicht näher ausgeführt, ob auch andere als gynäkologische Fachgesellschaften gefragt wurden. Viele Hausärzt*innen haben während ihrer Weiterbildung auch in der Gynäkologie und Geburtshilfe gearbeitet und können die Handlungskompetenz zum Schwangerschaftsabbruch mittels Saugkürettage nachweisen. Die Zulassung anderer ärztlicher Fachrichtungen für die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen entspricht im Übrigen den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).
  2. BÄK und BMG sprechen sich entschieden für die sogenannte Gewissensfreiheit aus (2): „Auch im Rahmen der ärztlichen Weiterbildung auf dem Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe gilt § 12 Absatz 1 SchKG: Kein sich in der Weiterbildung befindlicher Arzt und keine sich in der Weiterbildung befindliche Ärztin darf zur Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtet werden.“ Die AKF- und DFC-Expert*innen respektieren grundsätzlich die Gewissensfreiheit des Fachpersonals, das an der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen beteiligt ist. Wie eine unveröffentlichte Umfrage unter den AKF-Gynäkologinnen ergab, wird die Gewissensfreiheit auch manchmal als Entschuldigung benutzt. Als größte Hürde, die die Ärzt*innen tatsächlich davon abhielt, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, wurde fehlende praktische Übung angegeben. Das Eingeständnis mangelnder fachlicher Kompetenz war vielen jedoch unangenehm. Moralische Bedenken konnten leichter geäußert werden und wurden ohne Nachfrage akzeptiert.

Die AKF- und DFC-Expert*innen fordern fünf konkrete Änderungen in den Weiterbildungsordnungen

Die Fachfrauen vom Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft (AKF e.V.) und die Expert*innen von Doctors for choice Germany e.V. haben konkrete Vorschläge erarbeitet, wie die Ärztekammern ihrem berufspolitischen Weiterbildungs- und Versorgungsauftrag mit Blick auf den Schwangerschaftsabbruch in Zukunft besser nachkommen können. Zentral ist die Forderung, dass der Schwangerschaftsabbruch als einer der häufigsten gynäkologischen Eingriffe explizit in die MWBO der BÄK sowie in die WBO aller LÄK aufgenommen werden muss.

  1. Unter „Operative und weitere therapeutische Verfahren. Handlungskompetenz“ muss der Schwangerschaftsabbruch mit folgender Formulierung genannt werden: „Medikamentöser Schwangerschaftsabbruch sowie operativer Schwangerschaftsabbruch mittels Saugkürettage.“ Die explizite Nennung des Schwangerschaftsabbruches lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die Spezifika des Eingriffs, z.B. wann ist welche Methode angezeigt, wann besteht die Indikation zum Priming, Vor- und Nachteile einer Allgemeinanästhesie versus Lokalanästhesie sowie Management von Komplikationen. Auch die verschiedenen Schemata des medikamentösen Schwangerschaftsabbruches und deren Umsetzung in Klinik und Praxis müssen in der Weiterbildung vermittelt werden, so dass die
    Fachärzt*innen sich nach Abschluss ihrer Weiterbildung sicher fühlen, den Eingriff selbstständig durchführen zu können. Nur so können die derzeit vorhandenen Hürden überwunden werden.
  2. In der MWBO der BÄK sowie in den WBO mehrerer LÄK muss die Handlungskompetenz „Beratung bei Schwangerschaftskonflikten sowie Indikationsstellung zum Schwangerschaftsabbruch unter Berücksichtigung gesundheitlicher einschließlich psychischer Risiken“ in die Rubrik „Physiologie und Pathologie von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“ eingeordnet werden. In der Rubrik „Fetale Erkrankungen“ darf sie schon deswegen nicht bleiben, weil es nach dem Strafgesetz gar keine fetale Indikation zum Schwangerschaftsabbruch (mehr) gibt.
  3. Ärzt*innen, die aus Gewissensgründen keine Schwangerschaftsabbrüche vornehmen wollen, sollten zumindest die fachlich inhaltliche Kompetenz nachweisen, wie der Eingriff durchzuführen ist. Es gibt medizinische Indikationen und Notfallsituationen beim Schwangerschaftsabbruch, die dies erforderlich machen können.
  4. Die derzeitige Weiterbildung in Kliniken kann realistischerweise keine ausreichende Routine in der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen gewährleisten, da diese zum größten Teil ambulant durchgeführt werden. Kliniken, die die volle Weiterbildung anbieten, sollten aber auch den Schwangerschaftsabbruch in seiner ganzen medizinischen Komplexität lehren. Sollte dies nicht möglich sein, könnte analog zur Weiterbildung von Hausärzt*innen eine Ausbildungszeit in ambulanten Lehrpraxen eingeführt werden.
  5. Ärzt*innen aus anderen Fachbereichen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen möchten, ob operativ oder medikamentös, und die entsprechende Fachkompetenz nachweisen können, müssen die Genehmigung dazu erhalten, zumal es derzeit nicht genügend Frauenärzt*innen gibt, um den Bedarf zu decken, und der Mangel in den nächsten Jahren noch zunehmen wird.

 

Fazit

Die Defizite in der medizinischen Versorgung von Schwangeren, die einen straffreien Schwangerschaftsabbruch wünschen, haben komplexe Hintergründe. Das Nichtbenennen eines der häufigsten gynäkologischen Eingriffe in allen Weiterbildungsordnungen ist ein Mosaikstein in dem unbefriedigenden Gesamtgefüge. Es ist Ausdruck und gleichzeitig Festschreibung der Tabuisierung des Themas Schwangerschaftsabbruch in Medizin und Gesellschaft.

Wie die Erarbeitung des gemeinsamen Konzepts (2) von Bundesärztekammer und Bundesgesundheitsministerium zeigt, ist der politische Wille zur spezifischen Verbesserung der Weiterbildung von Ärzt*innen und damit der medizinischen Versorgung von Frauen vorhanden.

Die Expert*innen im AKF und von DFC empfehlen der Bundesärztekammer und allen 17 Landesärztekammern, zeitnah und unbürokratisch mit Unterstützung der Medizinischen Fachgesellschaften (z.B. DGGG, DGPFG, DEGAM), die fünf von den AKF- und DFC-Expert*innen vorgeschlagenen Änderungen in die ärztlichen Weiterbildungsordnungen einzuarbeiten.

Download

Stellungnahme zur Weiterbildungsordnung (WBO) (pdf)

Quellen:
https://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/aus-weiter-fortbildung/weiterbildung/muster-weiterbildungsordnung/
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2020/konzept-zur-fortentwicklung-der-qualifizierung-von-aerztinnen-und-aerzten-die-schwangerschaftsabbrueche-vornehmen.html
Scharl, AJ, Albring, C, Pressemitteilung: Bereitschaft zu Schwangerschaftsabbrüchen zur Einstellungsvoraussetzungen in Universitätskliniken? Frauenarzt 61(2020) Nr. 8 S. 541-2, www.dggg.de/presse-news/pressemitteilungen

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