Offener Brief an Bundesfinanzminister Scholz: Transparenz zu den Geldflüssen der Corona-Rettungsschirme, Geschlechterparität und Diversität unter den Expert*innen in den Entscheidungsgremien

Offener Brief an Bundesfinanzminister Scholz: Transparenz zu den Geldflüssen der Corona-Rettungsschirme, Geschlechterparität und Diversität unter den Expert*innen in den Entscheidungsgremien

Am 30.04.2020 verschickte der Arbeitskreis Frauengesundheit einen “Offenen Brief” zu Transparenz zu den Geldflüssen der Corona-Rettungsschirme, Geschlechterparität und Diversität unter den Expert*innen in den Entscheidungsgremien an Bundesfinanzminister Scholz. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, Bundesminister für Gesundheit Jens Spahn und die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Franziska Giffey haben wir über den Offenen Brief ebenfalls bereits informiert.

Offener Brief

Transparenz zu den Geldflüssen der Corona-Rettungsschirme, Geschlechterparität und Diversität unter den Expert*innen in den Entscheidungsgremien

Sehr geehrter Herr Finanzminister Scholz,

Frauen tragen überdurchschnittlich viel bei zur Bewältigung des Alltags und zur Bewältigung auch dieser aktuellen Corona-Krise. Sie tun dies in systemrelevanten, aber oft unterbezahlten oder gar unbezahlten Jobs, wie z.B. als Verkäuferinnen, Krankenschwestern oder pflegende Angehörige. Nach Krisen stehen diejenigen, die schon vorher weltweit im Durchschnitt 23% weniger verdient haben, nämlich die Frauen, in der Regel noch schlechter da (Deutscher Frauenrat, 2020). Krisen verschärfen also die soziale und die Geschlechterungleichheit. Diejenigen aber, die über Maßnahmen wie Rettungsschirme, Abschottung und Kindergartenschließungen entscheiden, von denen die Frauen massiv betroffen sind, sind überdurchschnittlich häufig alt, weiß und männlich (Almendinger, 2020; AKF, 2020).

Auch in der Krise findet also eine Wiederholung des ewig Gleichen statt. Besonders Lautstarke erhalten Mittel, sozial Schwache, alleinerziehende Frauen, Kulturschaffende und die Zivilgesellschaft haben große Mühen, Ausfälle adäquat kompensiert zu bekommen. Ein Beispiel aus dem Gesundheitswesen mag die Schieflage verdeutlichen: Der im Krankenhausentlastungsgesetz beschlossene Rettungsschirm (25.3.2020) sieht vor, dass niedergelassene Ärzt*innen und Zahnärzt*innen einen Ausgleich für Honorareinbußen erhalten, wenn ihr Honorar unter 90% desselben Quartals des Vorjahres fällt. Diese Ausgleichszahlungen gehen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung, also zulasten der Beitragszahler*innen. Zu denen gehören die in der Regel privat versicherten Ärzt*innen und Zahnärzt*innen nicht. Die Helfer*innen hingegen müssen bei ohnehin schon niedrigen Gehältern mit 60% Kurzarbeitergeld durchkommen. Zu Bonuszahlungen für Pflegekräfte konnte erst nach langem Ringen eine Einigung erzielt werden.

Aktuell wird sehr viel Geld bereitgestellt, von dem niemand dachte, dass es mobilisierbar wäre. Wo bleiben die Mitsprache und Beteiligung der betroffenen Frauen? Wie wird Transparenz hergestellt, wohin diese Gelder fließen? Wo bleibt hier die bei der Grundrente so heftig geforderte Bedürftigkeitsprüfung? Gilt sie nur für Rentner*innen oder auch für Gutverdienende und Konzerne?

Damit Deutschland ein Land sein kann, in dem alle gut und gerne leben, fordert der Arbeitskreis Frauengesundheit:

  1. Partizipation von Expertinnen in Entscheidungsgremien konsequent umsetzen. Die Diversität der Gesellschaft muss in den Gremien abgebildet sein, die Entscheidungen zum Umgang mit der Krise und zur Verteilung der Rettungsmilliarden treffen. Dazu muss die Politik die Parität umsetzen und Expertinnen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen beteiligen.
  2. Transparenz über die Verteilung der Milliarden des Corona-Schutzschildes. Nach welchen Kriterien erhält wer welche Summen? Welche Gremien treffen die Entscheidungen? Wie sind diese besetzt? Wann, wo und wie wird die Öffentlichkeit darüber informiert? Insbesondere muss auch die Beteiligung des Bundes an Firmen und Konzernen offengelegt werden. Dass Menschen jetzt schnell und unbürokratisch Hilfe brauchen, darf keine Ausrede für fehlende Transparenz, ungerechte Verteilung und mangelnde demokratische Kontrolle sein.
  3. Die Milliarden, die jetzt ausgegeben werden, werden später dort fehlen, wo sie am nötigsten gebraucht werden. Daher ist es jetzt zukunftsentscheidend, dass jede Möglichkeit genutzt wird, Ungleichheiten abzubauen und die Gesellschaft hin zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zu steuern. Eine Rückkehr zur Normalität setzt eine Prüfung dessen voraus, was als normal gelten soll.

Bisher galten mangelhafte Gleichberechtigung, zunehmende Entsolidarisierung der Gesellschaft, die Kapitalisierung des Gesundheitswesens und die Inkaufnahme einer progredienten Umweltzerstörung als normal. Zu dieser Art von Normalität zurückkehren zu wollen, entspricht nicht den Menschenrechten und ist nicht zukunftsfähig. Mit Rettungsgeldern, die alle Bürger*innen zahlen, sollten nur solche Firmen und Organisationen subventioniert werden, die ihre Steuern gezahlt haben und die UN-Nachhaltigkeitsziele erfüllen.
Der Arbeitskreis Frauengesundheit bittet Sie daher, sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, in Zusammenarbeit mit allen Zuständigen in der Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass die Mittel transparent, gerecht, insbesondere geschlechtergerecht und nachhaltig verteilt werden, damit Deutschland gerechter und zukunftsfähig wird.

Für den Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF)

Dr. med. Dagmar Hertle
Fachärztin für Innere Medizin
(Vorsitzende des AKF 2013 – bis 2017)
Univ.-Prof. Dr. med. Ingrid Mühlhauser
Amtierende Vorsitzende des AKF

 

 

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